Mittelformatkameras sind groß und unhandlich – das war bisher mein Credo in dieser Ecke. Meine Pentacon Six mit zwei Objektiven benötigt schon eine entsprechende Fototasche. Genauso meine Mamiya 645 Ausrüstung. Nun, ich habe mich eines Besseren belehren lassen.
Ich weiß eigentlich schon gar nicht mehr genau, wie und wo es gezündet hat. Auf jeden Fall habe ich auf Ebay mit einer gewonnenen Auktion eine ADOX Golf 63 Kamera von 1958 günstig erstanden. Die Golf 63 ist trotz ihrer geringen Abmessungen eine Mittelformat Kamera für 120er Rollfilme und liefert Bilder im 6×6 Format. Produziert von den ADOX Dr. Schleussner Werken in Wiesbaden.
Bevor ich sie jedoch benutzen konnte, musste ich sie noch geringfügig reparieren, denn der Balgen war leider leicht löchrig. Das ging dann mit Flüssiggummi ganz gut, was ich kurzfristig auch bei Ebay gefunden habe. Ansonsten war alles in einem tollen Zustand und Blende, Verschluss und Entfernungseinstellungen gingen weich und ohne Probleme. Nach gut 3 Tagen war ich dann soweit, dass ich einen 120er Rollfilm in die Kamera gesteckt habe und loslegen konnte
Zunächst noch etwas zu der Kamera selbst. Es war in den 50er Jahren der Volkswagen unter den Kameras und wurde ab 1954 und bis 1958 produziert. Ich selbst habe wohl das letzte Modell, also eins, was vermutlich 1958 produziert wurde. 100% genau weiß ich letztlich nicht, ob sie nicht vielleicht doch von 1957 ist. Aber – und das weiß ich ganz sicher – sie ist älter als ich und funktioniert (so wie ich auch) noch.
Sie ist, wenn ich meine Nikon F100 dagegen halte, schon recht sparsam ausgestattet. Filmaufzug zeitgerecht über ein großes geriffeltes Rad auf der Oberseite der Kamera. Damit man sehen kann, wie weit aufgezogen werden muss, hat die Rückwand ein rotes Fenster, durch das man die Zahlen auf der Rückseite des Filmpapiers sehen kann. Ebenso ist auf dem folgenden Bild zu sehen, dass der Sucher nicht gerade riesig ist. Da es kein Messsucher ist, kommt man auch mit Brille halbwegs klar. Der Sucher dient hier dazu den Ausschnitt zu wählen. Entfernungsmessung per Augenmaß.
Auf der Oberseite befinden sich somit genau drei Bedienelemente. Das Rad zum Aufziehen, der Auslöser und der Knopf, mit dem man den Balgen und das Objektiv ausklappen kann. Entfernung wird ganz vorne am Objektiv eingestellt. Entfernung muss geschätzt werden. Zeiten genau drei plus „bulb“: 1:25s, 1:50s und 1:200s. Bulb halt mit Drahtauslöser, solange man den festhält oder festschraubt. Erst wenn man wieder loslässt, geht der Verschluss zu. Der Filmaufzug spannt nicht den Verschluss ebenfalls mit, der muss mit einem kleinen Hebel extra gespannt werden.
Über den Auslöser am Objektiv kann man auch Mehrfachbelichtungen erreichen. Film wird eben nicht weiter gespult, Verschluss gespannt und am Verschluss ausgelöst – fertig ist die Mehrfachbelichtung. Im Gegensatz ist der Auslöser auf der Oberseite gesperrt, solange der Film nicht weiter gespult wurde. Die wenigen Zeiten, die zudem nicht gerade den heutigen Standardzeiten der Belichtungsreihen entsprechen, machen es nicht gerade schnell, mit ihr zu fotografieren. Die Lichtstärke des Objektivs ist schon Bestandteil des Kameranamens, also größte Blendenöffnung beträgt f 1:6.3.
Das war es schon an Ausstattung – man muss also entweder die Belichtung gut schätzen oder einen Belichtungsmesser nutzen. Ich habe es zunächst mal mit einem Belichtungsmesser versucht und war damit erst mal nur leidlich erfolgreich. Einige Bilder haben ich wohl hoffnungslos überbelichtet und habe schon erst am Verschluss gezweifelt. Nachdem ich mir aber etwas mehr Mühe bei der Messung gegeben habe, hat auch das funktioniert. Bei genügend Licht kann man die Kamera auch als Schnappschusskamera nutzen. Blende ausreichend schließen. Die Entfernungseinstellung entsprechen auf einen der beiden Zonenfokus Punkte stellen, Zeit entsprechend Licht und man muss vor dem Auslösen nichts mehr einstellen.
Eins ist klar, die kleine Mittelformatkamera im 6×6 Format macht wirklich Spaß. Zum einen, weil sie für einen Mittelformatkamera recht klein und leicht ist. Zum anderen, weil sie so alt ist (60+ Jahre). Die Bildergebnisse sind jedoch durchwachsen. Streulicht mag die Optik so rein gar nicht. Und so richtig knackescharf werden die Bilder auch nicht. Ich muss noch mal Versuche mit Stativ machen, das fehlt noch. Aber der Sommer kommt ja erst noch.
Trotzdem können sich die Ergebnisse sehen lassen. Unterschiedliche SW-Filme habe ich inzwischen durch die Kamera „gejagt“. Da ich ja alles selbst entwickle, ist der Einsatz nicht allzu hoch – wenn man von den Filmkosten absieht. Wenn das Wetter dann etwas schöner und die Natur weiter ist, werde ich vielleicht auch mal einen Farbfilm wagen. Wobei ich da noch mal schauen muss, welchen ich denn da nehme. Die Portras aus dem Kühlschrank erscheinen mir erst mal zu teuer.
Perspektivisch werde ich jetzt mal die Augen aufhalten, ob es nicht einen anderen „Falter“ gibt, der auch recht kompakt ist, eine bessere optische Qualität und einen Messsucher mitbringt. Aber das eilt nicht. Fotografieren kann ich ja auch heute…
Hier sind noch ein Link, der dem geneigten Leser vielleicht weiter helfen kann. https://spengler.photography/2016/01/01/adox_golf/
Neben einer historischen Betrachtung der Kamera mit allen gebauten Versionen finden sich auch die Bedienungsanleitungen auf der Seite. Sehr lohnenswert.